Die Vereinbarkeit von Familie und Arbeit bzw. von Care-Arbeit und Erwerbs-Arbeit ist ein schwieriges Thema, das alle Eltern
betrifft - vor allem aber uns Alleinerziehende.
Meine Mutter ist Altenpflegerin und arbeitet im Schichtdienst - das war in meiner Kindheit nicht anders. Als ich klein war, war auch mein Stiefvater noch berufstätig. Als Kind war ich schon sehr
früh oft allein zu Hause - Hort oder Ganztagsbetreuung gab es damals im Oberfranken der 90er Jahre nicht. Schon sehr früh machte ich mich morgens allein fertig für die Schule oder war Nachmittags
allein und machte allein meine Hausaufgaben.
Auch wenn es mir zu Gute kam, dass ich schon sehr früh sehr selbstständig war, war mir schon sehr früh klar, dass ich es anders machen würde. Dass meine Kinder nicht so früh so viel allein sein
müssten. Da wusste ich noch nicht, was das Leben für mich bereithalten würde.
Bevor ich Mutter wurde, arbeitete ich voll freiberuflich - ich gab Seminare und war jede Woche in einem anderen Bildungshaus.
Auch nach dem Umzug nach Leipzig und mit Kindern gab ich ab und an noch Seminare in Bayern, primär im Winter. Der Kindervater war dann dankenswerterweise Zuhause.
Nachdem das Kleinkind zur Welt gekommen war, gab ich sogar mal eine Woche Seminar mit Baby - da war er 7 Wochen alt, schlief viel im Wagen oder der Trage und die Seminar-Pausenzweiten richteten
sich nach dem Rhythmus des Babys.
Nach dem dritten Kind war auch von Anfang an klar: Ich fange früh an, zu arbeiten, arbeite aber möglichst lange eher wenig, um viel Zeit für die Kinder zu haben. So kam es, dass ich bereits ab
Mai 2018, als das Kleinkind 7,5 Monate alt war, 16 Stunden pro Woche arbeitete - wobei die Hälfte meiner Arbeitszeit unter der Woche lag und die andere Hälfte Samstags. Unter der Woche kam das
Kind „einfach“ mit ins Büro, samstags war der Kindervater Zuhause.
Parallel gab ich weiter ab und an Seminare.
Im Mai 2019 gab ich mein letztes Seminar in Oberbayern. Mehr und mehr war vorher deutlich geworden, dass es einfach nicht mehr ging. Das Großkind, bei dem der Autismus sich immer deutlicher
zeigte, brauchte mich einfach zu sehr. Es warf ihn mehr und mehr aus der Bahn, wenn ich mal ein paar Tage weg war.
Um die weggefallenen Seminare auszugleichen, nahm ich einen zweiten Job in Leipzig an. Acht Stunden pro Woche in der Jugendarbeit. Thematisch voll mein Ding, aber verbunden mit Terminen
nachmittags und abends - und somit nur durch familiäre Unterstützung machbar.
Wenige Monate später war ich dann Alleinerziehend.
Meinen Zweitjob musste ich kündigen, da es allein nicht mehr vereinbar war. Jedes kinderfreie Wochenende arbeitete ich Samstags in meinem Hauptjob.
Im Sommer 2021 kündigte ich meinen Job. Ich hatte genug davon, samstags zu arbeiten und wollte darüber hinaus den Arbeitsbereich wechseln.
Knapp fünf Monate hielt ich es dann dort aus. Die Vereinbarkeit war deutlich schwerer als gedacht, fielen doch wesentlich mehr Abendtermine an als im Vorfeld absehbar gewesen war.
Es folgte eine längere Phase der Arbeitslosigkeit.
Viele Arbeitsbereiche in meinem Beruf als Sozialpädagogin fallen für mich von vornherein weg - sie sind mit Schichtdienst verbunden und daher für mich nicht machbar.
Doch auch in vielen anderen Bereichen verlangen die Träger maximale Flexibilität und oftmals eine Anstellung in Vollzeit oder vollzeitnah.
Ich bin alleinerziehend mit drei Kindern, davon zwei mit Pflegegrad und wöchentlichen Therapieterminen. Alleinerziehende Dreifachmutter und zweifach pflegende Mutter.
Für meine beruflichen Möglichkeiten heißt das: ich kann nicht nur in Bezug auf den Stellenumfang nur eingeschränkt arbeiten, sondern auch in Bezug auf die möglichen Arbeitszeiten bin ich
vergleichsweise unflexibel.
2022/23 habe ich lange nach Arbeit gesucht, so einige Bewerbungen geschrieben, musste viele Enttäuschungen hinnehmen. Zukunfts- und Existenz-Ängste inklusive.
Letztendlich bin ich in der Kindertagesbetreuung gelandet. Nach ein paar Monaten bei einer Zeitarbeitsfirma hatte ich das Glück, in einem tollen Kindergarten unserer Kirchengemeinde anfangen zu
können. Kurze Wege, passender Stundenumfang und ich fühlte mich sofort total wohl.
Bisher waren alle meine eigenen Kinder im Hort der Grundschule gut betreut gewesen - nachmittags und auch in den Ferien. Doch das hat sich nun geändert. Das Großkind ist nun seit einem Monat am
Gymnasium.
Da das natürlich absehbar war, habe ich meinen Stundenumfang ab August wieder von 25 auf 20 Stunden reduziert. Außerdem hatte ich darum gebeten, bis zu den Herbstferien nicht so lange in den
Nachmittag hinein zu arbeiten, um das Kind an das Thema Hausaufgaben zu gewöhnen. Anfangs dachte ich, er würde das nach etwas Übung allein hinbekommen. Erst mit der Zeit wurde mir bewusst, dass
er besonders hierbei Begleitung braucht – nicht ohne Grund hat er in der Schule eine Schulbegleitung, die ihm unter anderem hilft, sich und seinen Arbeitsplatz zu strukturieren.
Die letzten Wochen haben gezeigt, dass das alles nicht ausreicht. Aktuell habe ich allen Seiten gegenüber ein schlechtes Gewissen, werde niemandem gerecht und fühle mich dabei absolut
sch****.
Mein Sohn ist viel zu oft viel zu lange allein - das liegt natürlich auch an der Hitze und dem dadurch verkürzten Unterricht in den letzten Wochen, aber nicht nur. Meinem Arbeitgeber stehe ich
noch unflexibler zur Verfügung als eh schon, meine Kolleginnen müssen das auffangen. Ich selbst arbeite zwar nun weniger, habe aber gleichzeitig noch weniger Zeit für mich - weil ja das Großkind
viel mehr Zuhause ist und Begleitung braucht.
Das alles schlaucht – vor allem mental. Ich bin unglaublich erschöpft und kraftlos – was ich nach den letzten Monaten mit fehlgeschlagener Kur und ausgefallenem Sommerurlaub ja ohnehin schon
bin.
Mal abgesehen vom veränderten Alltag sind es ja auch 12-13 Wochen Schulferien, die es nun abzudecken gilt - durch mich.
In den nun kommenden Herbstferien habe ich ohnehin Urlaub. Aber es war schon lange klar, dass ich ab 2025 ein Problem haben würde.
Das Großkind hat zwar nicht nur eine reine Schulbegleitung, sondern eine Integrationshilfe - das würde also auch die Ferien abdecken. Und der Träger würde das grundsätzlich auch übernehmen. Aber:
da in den Ferien viele Integrationshelfer*innen Urlaub nehmen, hätten wir hier einen häufigen Personalwechsel - was bei einem autistischen Kind eher kontraproduktiv ist. Erfahrungsgemäß gibts
dann auch oft krankheitsbedingte Ausfälle - für die es dann keinen Ersatz gibt.
Das Ganze ist also eher ein Bonus on top - aber nichts, was ich fest einplanen kann.
Es hat lange in mir gearbeitet, bis ich es mir endgültig eingestehen konnte – und nochmal eine ganze Weile, bis ich die Erkenntnis, dass die Vereinbarkeit für mich nicht mehr gegeben ist, auch
umsetzen konnte. Inzwischen habe ich meinen Job schweren Herzens zum Jahresende gekündigt.
Wie es für mich beruflich weiter geht, wird sich zeigen.
Aktuell fühle ich mich einfach nur erschöpft.
Erschöpft auch davon, dass Vereinbarkeit Etwas ist, was man sich immer wieder hart erkämpfen muss.
Davon, sich ständig zu verbiegen – und es dabei niemandem recht machen zu können.
Erschöpft von dem ständigen Kampf, überhaupt arbeiten zu können.
Mitte September 2024