Wenn Menschen mitbekommen, dass ich alleinerziehende Mutter von drei Kindern, davon einem Schwerbehinderten bin, ernte ich oft eines: Mitleid. Dies ist eine Reaktion, die ich nie verstehen werde - und die ich auch nicht möchte.
Und vermutlich geht es da vielen anderen Alleinerziehenden (Müttern und Vätern) ähnlich.
Wir wollen kein Mitleid! Wir wollen gesehen werden! Wir wollen, dass gesehen und anerkannt wird, was wir täglich leisten. Anerkannt nicht nur im großen, gesamtgesellschaftlichen Kontext, sondern auch im Kleinen, im direkten persönlichen Umfeld.

Als Alleinerziehende im Residenzmodell bin ich, wie der Name schon sagt, ziemlich allein. Mit Allem.
Es ist nicht nur der Alltag mit all seinen Aufgaben, die ich mir eben nicht mit jemandem teilen kann.

Für mich persönlich ist es vor allem die mentale Last, die mich von Zeit zu Zeit erdrückt, weil ich alleine 100% von ihr trage.
Abläufe organisieren und alles im Blick behalten.
Arzt- und Therapietermine, Kindergeburtstage, Treffen mit Freunden, …
Dinge, die ich besorgen muss. Vom Kuchen fürs Kita-Sommerfest über Schulmaterialien bis hin zu Kleidung. Je mehr Kinder man hat, umso mehr Termine und To-Dos schwirren im Kopf herum.
Hat man ein behindertes Kind, kommen zusätzliche Termine und vor allem zusätzliche Sorgen dazu.
Die Unklarheit bezüglich der beantragten Schulbegleitung zum Beispiel führte im Sommer 2020 bei mir bis hin zu Panikattacken und in folge dessen psychiatrischer Behandlung.
Die finanzielle Last und die finanziellen Sorgen müssen allein geschultert werden.
Glücklicherweise gibt es für Alleinerziehende bzw. grundsätzlich für Familien mit geringem Einkommen verschiedene finanzielle Unterstützungen. Doch auch die Anträge stellen sich natürlich nicht von allein - auch das muss man alle 6 bzw. 12 Monate im Blick behalten.

Es fehlt nicht nur die Person, mit der ich mir all das teilen kann.
Es fehlt die Schulter zum Anlehnen. Jemand, der mir den Rücken stärkt. Der Partner zum sich gegenseitig Kraft schenken.

Mir persönlich wurde in den letzten 2 Jahren zunehmend bewusst, dass ich zum Ausgleich viel mehr Zeit für mich und zum Krafttanken brauche als früher. Anfangs war mir das absolut nicht klar – ich wurde Alleinerziehend und machte dennoch weiter wie bisher, nur eben allein. Die Quittung kam wenige Monate später.
Im Nachhinein betrachtet ist das ja auch logisch: je mehr Kraft man investiert, umso mehr Energie muss man wieder auftanken. Doch auch die muss man sich einplanen - vor allem, wenn man im Grunde niemanden hat, der mal eben drei Kinder nimmt, nur damit man selbst sich erholen kann.
Meine Kinder sind einen Nachmittag pro Woche bei den Großeltern. Und auch wenn mal wichtige Termine anstehen oder Not am Mann ist, springen die Großeltern gerne mal ein, wofür ich auch sehr dankbar bin! Aber nur für meinen Energiehaushalt allein bzw. um mir Zeit für mich zu schaffen, würde ich an der Stelle niemals anfragen.
Seit 1,5 Jahren, seit sich das weitermachen-wie-bisher rächte, wünsche ich mir eine echte Pause. Mal eine ganze Woche kinderfrei. Zeit, um den Akku mal wirklich aufladen zu können statt nur das Level stabil zu halten. Aber dafür bräuchte ich erstmal jemanden, der die Kinder so lange nehmen würde.


Solange das Umfeld nicht wahrnimmt und wertschätzt, was Alleinerziehende leisten, muss man es ihm leider plakativ unter die Nase reiben. Immer und immer wieder.

 

 

Anfang September 2021