Rezidivierende Depressive Störung.
So nennt man wohl das, was ich habe. Eine Störung, die durch wiederholte depressive Episoden gekennzeichnet ist, wobei die gegenwärtige Episode mittelgradig ist.

Schon früher hatte ich depressive Episoden, teilweise sehr schwerwiegende. Für gewöhnlich bedingt durch die äußeren Umstände.

2011/12 hatte ich die erste wirklich schwere Phase. Gefangen in Minderwertigkeitskomplexen und Selbsthass gegenüber meinem Körper.
Gefangen in einer Ehe, die mir nicht gut tat - aber auch dem Glauben, ich müsse das „Ja“ für immer durchziehen und würde ohnehin nie einen anderen Mann finden.
Das Ganze ging bis hin zu Selbstmordgedanken - gepaart mit dem Fehler, mit niemandem darüber zu sprechen.
Letztendlich war es die Selbstständigkeit und die erfüllende Arbeit, die meinen Selbstwert wieder steigen ließ und mir so die Kraft gab, mich aus der Situation zu befreien.

2013/14 kam die zweite schwere Phase. Nach zwei Monaten Beziehung wurde ich ungeplant schwanger. Nicht wissend, ob die Beziehung halten würde. Zu 100% freiberuflich tätig - nicht wissend, wie ich ohne Sicherheit, ohne Mutterschaftsgeld, dafür mit einer selbst zu zahlenden privaten Krankenversicherung nach der Geburt über die Runden kommen sollte.
Auch damals kamen Selbstmordgedanken.
Ich verschwieg die Schwangerschaft und nahm in der 28. SSW meinen Traumjob an.
Nach der Geburt, als ich nicht mehr 70 Stunden pro Woche arbeitete, sondern „nur noch“ zu Hause war, fühlte ich mich nutzlos und hasste meinen Körper auf Grund des hohen Übergewichts.
Ich nahm innerhalb von 7-8 Monaten 40kg ab und mochte meinen Körper - leider definierte ich mich damals viel zu sehr darüber. Zusätzlich war ich gefangen in der oberbayerischen Provinz, wo ich zunehmend nur noch existierte statt zu leben.
Mit dem Umzug nach Leipzig 2015 begann ich wieder, zu leben.
Das zweite Kind wurde geboren. Es folgte eine leichte postnatale depressive Phase.

Im Sommer 2017, während der Schwangerschaft mit Kind 3, wurde es familiär immer schwieriger.
Es folgten zwei Jahre Kampf, der im Burnout endete. Die Folge war die Trennung und der Beginn des Alleinerziehenden-Daseins.

Anfang 2020 holte mich das Ganze ein - so entspannt die ersten Monate als Alleinerziehende waren, so energielos war ich ein halbes Jahr später.
Entspannung kam mit dem ersten Lockdown.

Im Sommer 2020 beschäftigte mich das Thema Schulbegleitung fürs Großkind. Es war klar: ohne Schulbegleitung wäre er nicht beschulbar - unglaublich viel hing für uns also dran. Je näher die Einschulung rückte, ohne dass es eine Entscheidung des Jugendamtes gab, umso mehr belastete mich dieses Thema. Ich war gestresst und leicht reizbar. Ich bekam sogar zwei oder dreimal eine Panikattacke beim Gedanken an dieses Thema.

 

An diesem Punkt suchte ich mir endlich fachärztliche Hilfe.

Bis zu meinem ersten Facharzttermin im Herbst 2020 war das Thema Schulbegleitung geklärt.
Was geblieben war, war die innere Unruhe und die Antriebslosigkeit vor allem in der kinderfreien Zeit. Oft saß ich einfach nur zu Hause und machte nichts. Und die starke Gereiztheit in Stresssituationen mit den Kindern. Mir war klar: meine Kinder hatten eine bessere Mama verdient, sodass ich mein Verhalten unbedingt angehen wollte.

Seit einem halben Jahr nehme ich nun ein leichtes Antidepressivum. Ich habe seither zwar deutlich zugenommen, aber es geht mir deutlich besser.
Nach wie vor fällt es mir manchmal schwer, in stressigen Situationen mit den Kindern entspannt zu bleiben. Tief verwurzelte Glaubenssätze, mit denen ich Jahrzehnte aufgewachsen bin, zeigen sich in solchen Situationen leider noch immer viel zu sehr in meinem Verhalten. Auch, wenn ich es rein rational besser weis.

Aber genau das möchte ich ändern!
Eine systemische Beratung habe ich bereits begonnen.
Parallel dazu bin ich nun auf der Suche nach einer Verhaltenstherapie.
Da meine Kinder zu 85% bei mir sind, ist es umso wichtiger, dass ich ihnen einen liebevollen, sicheren Hafen biete. In jeder Sekunde.


Heute bereue ich es, mir nicht schon früher Hilfe gesucht zu haben - vielleicht hätte ich mir dadurch vieles ersparen können.
Umso optimistischer bin ich, dass es nun langfristig und dauerhaft gut wird.

Heute weis ich:
Depression ist keine Schande.
Wichtig ist nur, sich Hilfe zu suchen!

Ende April 2021