Heute vor einem Jahr ist der Chaospapa ausgezogen – seither lebe ich mit den Chaosjungs allein.
Es war ein Jahr voller Höhen und Tiefen, voller schöner Momente und Phasen der Erschöpfung.

Meine größte, existenzielle Sorge, allein die Wohnung nicht halten zu können und die Jungs hier herausreißen zu müssen, hat sich glücklicherweise nicht bestätigt. Auch als Alleinerziehende mit ein wenig staatlicher Unterstützung ist die Finanzierung unseres Zuhauses kein Problem. Allerdings darf ich sie auf dem Papier nicht alleine mieten, sodass der Chaospapa weiterhin mit im Mietvertrag steht. Denn Vieles, was bei uns als vierköpfige Familie an Einnahmen rein kommt (Kindergeld, Kinderzuschlag, Pflegegeld fürs Großkind), zählt in eine Bonitätsprüfung nicht mit rein, macht in Summe aber mehr aus als wir an Miete zahlen.

Das Stellen von Anträgen und das Führen von bürokratischen Kämpfen ist nun um Einiges umfangreicher geworden. Kinderzuschlag, Wohngeld, Freiplätze für Kita und Hort, Mittagessen, Schulbedarf, Unterhaltsvorschuss, … Irgendwie hat man immer Etwas zu tun.

Der Antrag, der den mit Abstand größten Kampf mit sich brachte, war jedoch der Antrag auf Schulbegleitung fürs Großkind. Seit Oktober 2019 hatte er bereits eine 1:1-Betreuung in der Kita, was durch das Sozialamt bewilligt worden war. Mit Schuleintritt wechselte die Zuständigkeit jedoch zum Jugendamt, welches in Leipzig seit Jahren überlastet ist. Bereits im Februar hatte ich das Ganze beantragt, lange Zeit tat sich erstmal gar nichts. Viele Gutachten und Berichte wurden geschrieben, Arzttermine und Hospitationen fanden statt. Bis eine Woche vor Schulbeginn war unklar, ob es überhaupt eine Schulbegleitung geben würde. Für uns als Familie hängt an diesem einen Zahnrad im System unglaublich Viel – wenn das Kind nicht beschulbar ist, kann ich nicht mehr arbeiten, verliere die Wohnung, etc.
Dementsprechend belastend war diese lange Ungewissheit sowie die vielen Gespräche und der harte Kampf am Ende der Sommerferien auch für mich. Und umso mehr bin ich nun froh darüber, dass das Großkind nach wie vor von derselben Person begleitet wird wie schon in der Kita.

Ein Auf und Ab war auch das Verhältnis der Jungs unter einander. Schon Anfang des Jahres wurde das Verhalten des Großkindes auffälliger – vermutlich weil er sich langsam in der Kita unterfordert fühlte. Dies färbte auch auf das Verhalten zu Hause ab und vor allem darauf, wie er mit dem Mittelkind umging. Die Streitereien zwischen den Beiden nahmen zu und auch das Kleinkind mischte mehr und mehr mit.
Seit das Großkind nun in der Schule ist, wird auch das Verhältnis zwischen den Kindern nach und nach ein wenig entspannter.

Für mich ganz persönlich war das letzte Jahr eine Achterbahnfahrt.
Die ersten Monate waren überraschend entspannt – vermutlich weil die letzten Monate zu fünft so unglaublich anstrengend, konfliktreich und bis zum Burnout erschöpfend waren.
Im Februar wurde ich dann leider ein wenig eingeholt von diesem ganzen Alleinerziehenden-Ding. Ich war einfach durch. Dauerhaft angespannt, leicht reizbar, schnell wütend, am Ende meiner Kräfte.
Als im März der allgemeine Lockdown kam, hatte ich großen Respekt davor, wochenlang mit den Jungs zu Hause zu sein – die ersten Wochen waren dann aber die entspannteste Zeit, die wir je hatten.
Im Sommer kam dann, bedingt durch den Kampf um die Schulbegleitung, nochmal eine eher schwierige Phase, die stark an mir zehrte.
Aktuell habe ich das Gefühl, dass es sich ganz gut eingependelt hat. Wir haben uns ganz gut an den Alltag mit Schulkind und die veränderten Abläufe gewöhnt.
Inzwischen habe ich gelernt, mehr auf mich selbst zu achten. Meinen eigenen Bedürfnissen nachzukommen und in einem gesunden Maße egoistisch zu sein. Denn wie es mir geht, hat einen großen Einfluss auf mein Verhalten – und dadurch auch darauf, wie es den Kindern geht.

Ich bin alleinerziehend mit drei kleinen Jungs im Alter von 6,5 Jahren, 5 Jahren und 3 Jahren – der Älteste mit besonderem Betreuungs- und Förderbedarf sowie regelmäßigen Therapieterminen. Die Kinder verbringen circa 80% der Zeit bei mir.
Es hat lange gedauert, bis ich selbst realisiert habe, dass das Ganze auch Arbeit und nicht selbstverständlich ist. Dass es eine Leistung ist und nicht einfach so nebenher läuft. Und bis ich mir eingestanden habe, weniger zu arbeiten und mir ausreichend Zeit für mich selbst einzuräumen.

Was ich mir wünschen würde, wäre ein wenig mehr Anerkennung und Unterstützung aus dem direkten Umfeld. Oft habe ich das Gefühl, dass fremde Menschen auf Instagram oder sonstwo einem größten Respekt zollen, während die Menschen im direkten Umfeld alles für selbstverständlich halten.

Anfang Oktober 2020